Kammerton a
Cis c a sagt Edna. Kammerton a, sagt sie und blickt versonnen hinüber zum Waldrand. Die pure Dissonanz, denke ich bei mir. Antons musikalische wie auch alle anderen Fertigkeiten lassen zu wünschen übrig. Dieser Meinung bin ich seit langem. Nun erneut der Lockruf, sagt Edna, cis c a cis c a cis c a. Rotbauchiger Gelbschwanzhäher, clamator glandarius, sagt sie, des öfteren noch in unseren heimischen Wäldern anzutreffen, gleichwohl aber vom Aussterben bedroht. Hör doch, sagt sie, Anton verbessert sich zusehends, gänzlich falsche Töne kommen kaum mehr vor, bald wird sich der gesuchte Vogel sehen oder zumindest hören lassen. Er soll die Hoffnung nicht aufgeben, sage aber ich. Eines Morgens ist Anton unerwartet aufgetaucht. Er hat Edna aus der Hütte hinauskomplimentiert und ist aufgeregt gestikulierend mit ihr im Wald verschwunden. Erst am späten Nachmittag ist sie wiedergekommen. Wo warst du so lange, habe ich gefragt, spazieren, hat sie gesagt, wieso fragst du. Der ruppige Ton, den sie mir gegenüber vermehrt anschlägt, wird alsbald Konsequenzen haben. Tatsächlich denke ich daran, allem den Rücken zu kehren. Meine Sachen habe ich bereits gepackt, und sie deutlich sichtbar neben der Türe platziert, wo sie aber von Edna geflissentlich übersehen werden. Neulich hat sie angedeutet, dass Anton ihr ein Angebot gemacht hat. Was für ein Angebot, habe ich gefragt, eines das dich entlasten würde, hat Edna gesagt. Sie hat mir bedeutungsvolle Blicke zugeworfen, sich dann aber nichts Näheres entlocken lassen. Zu Anton ist zu sagen, dass er sich untadelig benommen hat. Bis jetzt. Stets hat er sich im Hintergrund gehalten, erst in letzter Zeit verlässt er hin und wieder seine Deckung und bewegt sich sozusagen auf offenem Gelände. Dass man ihm aber nicht über den Weg trauen kann, liegt auf der Hand. Anfangs habe ich mich um ein gutes Verhältnis zu ihm bemüht. Jetzt ist er schon seit längerem persona non grata. Für mich zumindest. Hör doch, sagt Edna und legt den Kopf ein wenig schief. Wie schön, sagt sie und versucht, die mißtönende Tonfolge nachzuahmen. Ich unterdrücke den Impuls, mir die Ohren zuzuhalten. Sein Spiel wird immer besser, sagt sie, er vervollkommt sich, man kann es nicht anders sagen. Kakophonie, denke ich. Obwohl, das kann man nicht leugnen, sie bringen einen neuen Ton in unsere in meine und Ednas im wahrsten Sinn des Wortes ein klein wenig eintönige Situation. Cis c a sagt Edna. Kammerton a, sagt sie und blickt versonnen hinüber zum Waldrand. Ob ich Anton wohl einen kleinen Besuch abstatte, sagt sie und beginnt, ihre Schuhe anzuziehen. Nichts da, hier geblieben, sage aber ich, greife in die Bücherkiste und ziehe einen beliebigen Band heraus. Schlags einfach auf, sage ich und drücke Edna das Buch in die Hand. Anfangs ist sie skeptisch. Sie betrachtet den Umschlag, liest den Klappentext und dreht es unschlüssig hin und her. Schlage es einfach an einer beliebigen Stelle auf, sage ich, das ist das sogenannte Bibelstechen. Edna tut, was ich ihr sage und liest. Anfangs nur um mir einen Gefallen zu tun, dann immer interessierter. Hör zu, sagt sie ist das nicht ein gescheiter Satz. Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich. Doch, schon, sage ich, Brecht passt immer. Erst kommt das Fressen, dann die Moral, sage ich, was mir aber einen tadelnden Blick einträgt. Wie befleissigen uns hier nur der allergepflegtesten Sprache, sagt Edna, dass ich dich überhaupt daran erinnern muss. Ich senke schuldbewusst den Kopf, sie hat ja so recht.
Cis c a sagt Edna. Kammerton a, sagt sie und blickt versonnen hinüber zum Waldrand. Die pure Dissonanz sage aber ich. Antons musikalische, wie auch alle anderen Fertigkeiten lassen zu wünschen übrig. Der Meinung bin ich seit langem. Nun erneut der Lockruf, sagt Edna, cis c a cis c a cis c a. Rotbauchiger Gelbschwanzhäher, sagt sie, des öfteren noch in unseren heimischen Wäldern anzutreffen, gleichwohl aber vom Aussterben bedroht. Hör doch, sagt sie, Anton verbessert sich zusehends, gänzlich falsche Töne kommen kaum mehr vor. Ich kann da nur verständnislos den Kopf schütteln. Begonnen hat alles damit, dass Anton eines Morgens unerwartet aufgetaucht ist. Er hat Edna aus der Hütte hinauskomplimentiert und ist aufgeregt gestikulierend mit ihr im Wald verschwunden. Erst am späten Nachmittag ist sie wiedergekommen. Wo warst du so lange, habe ich gefragt, spazieren, hat sie gesagt, wieso fragst du. Der ruppige Ton, den sie mir gegenüber vermehrt anschlägt, wird alsbald Konsequenzen haben. Tatsächlich denke ich daran, allem den Rücken zu kehren. Meine Sachen habe ich bereits gepackt und sie, deutlich sichtbar, neben der Türe platziert, wo sie aber von Edna geflissentlich übersehen werden. Neulich hat sie angedeutet, dass Anton ihr ein Angebot gemacht hat. Was für ein Angebot, habe ich gefragt, eines das dich entlasten würde, hat Edna gesagt. Sie hat mir bedeutungsvolle Blicke zugeworfen, sich dann aber nichts Näheres entlocken lassen. Zu Anton ist zu sagen, dass er sich untadelig benommen hat. Bis jetzt hat er sich stets im Hintergrund gehalten, erst in letzter Zeit verlässt er hin und wieder seine Deckung und bewegt sich sozusagen auf offenem Gelände. Dass man ihm aber nicht über den Weg trauen kann, liegt auf der Hand. Anfangs habe ich mich um ein gutes Verhältnis zu ihm bemüht. Nach mehreren Ablehnungen und Zurückweisungen habe ich aber die Reißleine gezogen und er ist für mich zur persona non grata geworden. Hör zu, sagt Edna, ist das nicht ein gescheiter Satz. Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich, sagt sie. Sitzt Edna in der Sonne und blättert in dem einzigen lesbaren Buch, das wir hier vorgefunden haben, entspanne ich mich normalerweise ein klein wenig. Brecht, sage ich, ja mag sein, sagt Edna. Hör doch, sagt sie, legt den Kopf ein wenig schief und lauscht den Flötentönen, die aus dem Wald dringen. Sein Spiel wird immer besser, sagt sie, er vervollkommt sich, man kann es nicht anders sagen. Sie versucht, die mißtönende Tonfolge nachzuahmen und ich unterdrücke den Impuls, mir die Ohren zuzuhalten. Hör auf damit, Edna, sage ich, das ist die reinste Kakophonie. Dass Antons Bemühungen auf der Blockflöte aber auch einen neuen Ton in unsere im wahrsten Sinn des Wortes ein klein wenig eintönige Situation bringen, wer wollte das leugnen. Cis c a sagt Edna. Kammerton a, sagt sie und blickt versonnen hinüber zum Waldrand. Lies lieber in deinem Buch, sage ich, Brecht ist immer eine gute Wahl.
*
Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich, sagt Edna versonnen. Brecht, sage ich, ja mag sein, sagt Edna. Unser Zusammenleben gestaltet sich seit längerem schwierig. Woran das liegt, weiss keiner von uns beiden. Neulich ist Anton unvermutet aufgetaucht, hat Edna aus der Hütte hinauskomplimentiert und ist aufgeregt gestikulierend mit ihr im Wald verschwunden. Erst am späten Nachmittag ist Edna wiedergekommen. Wo warst du so lange, habe ich gefragt, spazieren, hat sie gesagt, wieso fragst du. Ich denke daran, allem den Rücken zu kehren. Meine Sachen habe ich bereits gepackt und sie, deutlich sichtbar, neben der Türe platziert. Sie werden aber von Edna geflissentlich übersehen. Neulich hat sie angedeutet, dass Anton ihr ein Angebot gemacht hat. Was für ein Angebot, habe ich gefragt, eines das dich entlasten würde, hat Edna gesagt. Ich kann es nicht leiden, wenn sie mir bedeutungsvolle Blicke zuwirft, es dann aber dabei bewenden lässt. Auch da hat sie sich nichts Näheres entlocken lassen, obwohl ich mehrmals nachgefragt habe. Zu Anton ist zu sagen, dass er sich bis jetzt stets im Hintergrund gehalten hat. Erst in letzter Zeit verlässt er hin und wieder seine Deckung und bewegt sich sozusagen auf offenem Gelände. Dass man ihm nicht über den Weg trauen kann, ist evident. Anfangs habe ich mich um ein gutes Verhältnis zu ihm bemüht. Nach mehreren Ablehnungen und Zurückweisungen habe ich aber die Reißleine gezogen. Und jetzt ist Anton endgültig zur persona non grata geworden. Bei mir zumindest. Wann immer Edna Anton aufs Tapet bringt, blocke ich ab. Hörst du nicht, wie schön er spielt, sagt Edna, legt den Kopf ein wenig schief und gibt sich den Flötentönen hin, die aus dem Wald dringen. Antons Blockflöte bringt tatsächlich einen neuen Ton in unser Verhältnis. Cis c a sagt Edna. Kammerton a, sagt sie und blickt versonnen aus dem Fenster. Wenn man mich fragt, lasse Antons musikalische Fertigkeiten zu wünschen übrig. Alles geht den Bach runter, sagt sie des öfteren, wir sollten uns helfen lassen, Anton wäre zu allem bereit. Allenfalls lasse ich mich zu einer abwehrenden Handbewegung hinreißen, meistens zucke ich aber bloß die Achseln und wechsle das Thema. Merke ich an, dass ich die vertrackte Situation, in der wie uns befinden, jedenfalls nicht herbeigeführt habe, ist das schon zuviel des Guten. Wer genau, lasse ich im Dunkeln. Fordert mich Edna auf, mich ein wenig mehr einzubringen um unsere Misere zu beenden, sage ich, dass ich nur auf konkrete Vorschläge warte. Dem hat sie aber nichts entgegenzusetzen. Konkrete Vorschläge erwartet man von Edna vergebens.
*
Audiatur et altera pars sagt Edna. Selbstredend, sage ich. Andererseits, fügt sie nach einer Weile hinzu. Keine Frage, sage ich, wende mich zur Tür und öffne sie weit. Dass unten am Waldrand mehrere Personen stehen und unsere Hütte im Blick haben, überrascht mich nicht wirklich. Sie kommen, sage ich zu Edna. Ihr Seufzen ist unüberhörbar. Ist Anton auch dabei, fragt sie, ich glaube nicht, sage ich. Ich strenge meine Augen an und kann den Gemeindeschreiber, den Kanzlisten, den Pfarrer und Ednas Halbbruder, Cousin oder was auch immer er ist, ausmachen. Nicht aber Anton. Anton hält sich schon seit Wochen bedeckt. Wir beide, Edna, aber auch ich, sehnen uns nach der Zeit, wenn er endlich Farbe bekannt haben wird. Dann segeln wir wieder in ruhigen Gewässern, sagt Edna. Sei lieber du wie Wasser, sage ich des öfteren zu ihr, aber das versteht sie nicht. Bei mir denke ich, dass dies alles hier noch dauern wird, denn Anton macht es uns nicht leicht. Wir müssen ihn zwingen, Klartext zu reden, hat Edna gerade letztens gesagt. Wie sollte man jemanden wie Anton zu etwas zwingen, frage ich mich. Edna ist, das stellt sich immer mehr heraus, ein wenig weltfremd, man kann es nicht anders sagen. Jetzt sieht sie zu, wie sich die Herren den steilen Hang heraufplagen, verschwendet aber keinen Gedanken an das unangenehme Gespräch, das damit auf sie zukommt. Sind ganz und gar nicht gut zu Fuß, die Herren, sagt sie und schüttelt amüsiert den Kopf. Tatsächlich bietet der ganze Trupp einen bejammernswerten Anblick. Vor allem der eine, in dem ich den Kanzleischreiber zu erkennen glaube, ist schon weit zurückgefallen und scheint jeden Moment das Gleichgewicht verlieren zu wollen. Die anderen gestikulieren wild, denn um diese Jahreszeit gibt es die allerlästigsten Insekten in Blumenwiesen. Zwischendurch wischen sie sich mit großen weissen Taschentüchern den Schweiß von der Stirn und bieten insgesamt einen bejammernswerten Anblick. Wenn doch bloß einer nach dem anderen kommen wollte und nicht immer alle auf einmal, höre ich Edna sagen. Auch schon egal, sage ich, ob alle auf einmal oder jeder einzeln, was macht das schon für einen Unterschied. Einen großen, sagt Edna. Langsam begreift sie, dass da, mit den geplagten Herren, eine Situation auf sie zukommt, der sie sich nicht erneut aussetzen möchte. Ich verstecke mich, sagt sie, aber als sie tatsächlich Anstalten macht, das Weite zu suchen, halte ich sie fest. Das wirst du nicht tun, sage ich, du versteckst dich eben nicht, wenn du andauernd wegläufst, kommen wir nie an ein Ende. Auch die andere Seite hören, sage ich, weiß aber gleichzeitig, dass Edna gerade davor Angst hat. Ich selber könnte mich ganz leicht absentieren, niemand würde mich vermissen. Keiner der Herren würde auch nur einen Gedanken an mich verschwenden, das ist eine Tatsache. Aber da ich die einzige Stütze bin, die Edna hat, verbietet sich solch ein Gedanke von selbst. Wir werden das gemeinsam meistern, wie so vieles andere, sage ich, öffne die Tür und rufe den Herren ein fröhliches ‚Guten Morgen‘ entgegen.
Contradictio in adiecto sagt Edna. Ich weiß, sage ich und sehe Ednas Halbbruder, Cousin oder was auch immer samt seiner Entourage den Hang unterhalb unserer Hütte queren. Sie kommen, sage ich und sehe, dass Edna sich in den Hintergrund der Hütte zurückzieht. Willst du dich tatsächlich vor ihnen verstecken, frage ich. Ja, sagt Edna, geht zu der in den Dielenboden eingelassene Platte und hebt sie ein wenig an. Darunter befindet sich ein Hohlraum, der sich hervorragend für ein Versteck eignet. Dort unten findet mich keiner, sagt Edna beugt sich ein wenig vor und strengt ihre Augen an. Ziemlich dunkel, da unten, sagt sie, schüttelt den Kopf und schließt die Bodenplatte wieder. Deine wohlmeinenden Verwandten werden in Bälde vor unserer Tür stehen, sage ich, was willst du tun. Es zu einem Ende bringen, sagt sie, setzt sich an den Tisch und ordnet ihre Unterlagen. Ist ja alles mehrfach und auf Herz und Nieren geprüft, ich habe nichts zu befürchten. Alles wasserfest, sagt sie und achtet nicht darauf, dass einzelne Blätter zu Boden fallen. Vorsicht Edna, sage ich, hebe die Blätter auf und ordne das Konvolut, in dem Edna hektisch blättert, erneut. Ein für allemal alles über die Bühne bringen, sagt sie und nickt bekräftigend. Ich gebe mich zuversichtlich, weiss aber, dass Edna es sich zu leicht macht. Unerwartete Schwierigkeiten können auftauchen, sage ich, aber Edna macht bloß eine abwehrende Handbewegung. Ich befürchte ja, dass Edna über den Tisch gezogen werden wird. Ich wende mich zum Fenster und beobachte ihren Halbruder, Cousin oder was auch immer der sich nur langsam nähert. Hat schwer zu kämpfen, sage ich und kann ein Lachen nicht unterdrücken. Sieh dir das an, sage ich zu Edna und gemeinsam beobachten wir, wie er immer wieder stehen bleibt, das kniehohe Gras sich um seine Beine schlingt und er vergeblich versucht, sich zu befreien. Als ob er zurückgehalten werden sollte, sagt Edna. Wohlmeinende Verwandte, contradictio in adiecto, sagt sie. Wir sehen zu, wie sich ihr Halbbruder, wie heisst er eigentlich, habe ich neulich gefragt, aber nur ein Achselzucken als Antwort erhalten, wie sich also ihr Halbbruder samt seiner Entourage unaufhaltsam nähert. Gut, wenn das ein für allemal ein Ende hat, sagt Edna. Aber ich kann ihre Zuversicht nicht teilen. und sage nichts. Beredtes Schweigen, sagt Edna, contradictio in adiecto wiederum. Sie wirft mir einen amüsierten Blick zu. Die Männer nähern sich unaufhaltsam. Muss heiß sein, sagt Edna. Der Hang sollte wieder einmal gemäht werden, fügt sie hinzu. Gemeinsam beobachten wir die Männer, die nur mühselig vorankommen. Das offensichtlich zähe Gras wickelt sich ihnen um die Beine, beinahe so, als ob es sie zurückhalten wollte. Immer wieder müssen sie sich gewaltsam losreissen, dabei kommen sie gehörig ins Schwitzen. Beinahe könnten sie einem leid tun, sage ich.
*
Pacta sunt servanda, sagt Ezra. Nicht in jedem Fall, sage ich, woraufhin er sich zum Fenster wendet und hinaus auf die taunasse Wiese schaut. Heute kommt keiner, sagt er nach einer Weile, lass uns einen kleinen Spaziergang machen, sagt er und sieht mich auffordernd an. Aber ich möchte nicht. Heute nicht, sage ich und wende mich meinen Aufgaben zu. Ich eile geschäftig hin und her und Ezra sieht mir eine Weile mit vor der Brust verschränkten Armen zu. Schließlich wendet er sich achselzuckend ab. Er ruft Billie zu sich und schlägt die Tür hinter sich zu. Ich atme erleichtert auf und lasse mich auf dem bequemen Fauteuil in der Ecke nieder. Erfahrungsgemäß bleiben Ezra und Billie den Vormittag über im Wald und kehren erst gegen Mittag zurück. Bei der obersten Wegbiegung, knapp vor dem Gehöft, treffen sie üblicherweise auf Anton. Das kann mir nur recht sein. Ich habe mich Antons Loyalität versichert, er steht felsenfest hinter mir. Sollten die Dinge eskalieren, hält er mir die Stange, darauf hat er mir sein Wort gegeben. Versuche Ezra umzustimmen, alles andere lass mich machen, hat er gerade neulich gesagt. Ich vertraue ihm. Ezra wirft mir zwar immer wieder vor, dass ich zu gutgläubig bin, aber das stimmt nicht. Dass Anton es, laut Ezra, faustdick hinter den Ohren hat, mag sein. Das beunruhigt mich aber nicht wirklich. Viel eher beunruhigt mich, dass sich bis jetzt niemand gefunden hat, der Ezra von seinen verqueren Vorstellungen hätte abbringen können. Wir handhaben das wie immer, sagt er jedesmal, wenn ich ihm Vorhaltungen mache. Dass sich seine Situation vollkommen verändert hat, blendet er aus. Gebetsmühlenartig wiederholt er, dass Vereinbarungen einzuhalten sind. Bei Einwänden verlässt er den Raum oder hält sich die Ohren zu. Mit dieser Haltung steuert er direkt auf die Katastrophe zu, die wir doch alle vermeiden wollen, hat Anton gerade neulich zu mir gesagt und ich habe ihm recht geben müssen. Von ausserhalb, vom Wanderweg, der direkt an unserer Hütte vorbeiführt, höre ich Stimmen. Harmlose Wanderer, denke ich mir noch, aber da pocht es schon an der Tür. Gut, dass Ezra nicht hier ist, denke ich mir, während ich mich mühsam aus meinem bequemen Sessel erhebe und zögernd öffne. Der Gutsverwalter drängt sich an mir vorbei ins Innere und registriert sogleich, dass Ezra nicht anwesend ist. Schön, dass wir Sie alleine antreffen, sagt er, mit Anton ist ja nicht zu reden. Ezras tatsächlicher Name lautet Anton, das sollte man vielleicht wissen. Nach dem Verwalter drängen mehrere Personen herein. Ich erkenne Ezras Halbbruder, Cousin oder was auch immer, dessen Frau und einen Gemeindeschreiber. Wo ist er, fragt Ezras Halbbruder, spazieren, sage ich. Wie immer um diese Zeit, füge ich hinzu. Umso besser, sagt er, dann können wir Nägel mit Köpfen machen, gesetzliche Vertreter haben doch alle Vollmachten, oder? Und das sind Sie doch, oder? Ich zucke die Achseln und beobachte, wie er mehrere hochoffiziell aussehende Schriftstücke auf dem Tisch ausbreitet. Unterschreiben Sie hier, hier und hier, sagt er und sieht mich auffordernd an. Ich aber fege die Zettel mit einer Handbewegung vom Tisch. Unverfroren, sage ich, so unverfroren, wie unverfroren kann man sein.
Pacta sunt servanda, sagt Ezra. Nicht in jedem Fall, sage ich, woraufhin er sich zum Fenster wendet und aus dem Fenster hinaus auf die taunasse Wiese schaut. Heute kommt keiner, sagt er nach einer Weile. Lass uns einen kleinen Spaziergang machen, sagt er und sieht mich auffordernd an. Aber ich möchte nicht. Heute nicht, sage ich und wende mich meinen Aufgaben zu. Ich eile geschäftig hin und her und Ezra sieht mir eine Weile mit vor der Brust verschränkten Armen zu. Schließlich wendet er sich achselzuckend ab. Er ruft Billie zu sich und schlägt die Tür hinter sich zu. Ich atme erleichtert auf und lasse mich auf dem bequemen Fauteuil in der Ecke nieder. Erfahrungsgemäß bleiben Ezra und Billie den Vormittag über im Wald und kehren erst gegen Mittag zurück. Bei der obersten Wegbiegung, knapp vor dem Gehöft, treffen sie üblicherweise auf Anton. Das kann mir nur recht sein. Ich habe mich Antons Loyalität versichert, er steht felsenfest hinter mir. Sollten die Dinge eskalieren, hält er mir die Stange, darauf hat er mir sein Wort gegeben. Versuche Anton umzustimmen, alles andere lass mich machen, hat er gerade neulich gesagt. Ich vertraue ihm. Ezra wirft mir zwar immer wieder vor, dass ich zu gutgläubig bin, aber das stimmt nicht. Dass Anton es, laut Ezra, faustdick hinter den Ohren hat, mag sein. Das beunruhigt mich aber nicht wirklich. Viel eher beunruhigt mich, dass sich bis jetzt niemand gefunden hat, der Ezra von seinen verqueren Vorstellungen hätte abbringen können. Wir handhaben das wie immer, sagt er jedesmal, wenn ich ihm Vorhaltungen mache. Dass sich seine Situation vollkommen verändert hat, blendet er aus. Gebetsmühlenartig wiederholt er, dass Vereinbarungen einzuhalten sind. Bei Einwänden verlässt er den Raum oder hält sich die Ohren zu. Mit dieser Haltung steuert er direkt auf die Katastrophe zu, die wir doch alle vermeiden wollen, hat Anton gerade neulich zu mir gesagt und ich habe ihm recht geben müssen. Von ausserhalb, vom Wanderweg, der direkt an Ezras Hütte vorbeiführt, höre ich Stimmen. Harmlose Wanderer, denke ich mir noch, aber da pocht es schon an der Tür. Gut, dass Ezra nicht hier ist, denke ich mir, während ich mich mühsam aus meinem bequemen Sessel erhebe und zögernd öffne. Der Gutsverwalter drängt sich an mir vorbei ins Innere und registriert sogleich, dass Ezra nicht anwesend ist. Schön, dass wir Sie alleine antreffen, sagt er, mit Anton ist ja nicht zu reden. Ezras tatsächlicher Name lautet Anton, das sollte man vielleicht wissen. Nach dem Verwalter drängen m ehrere Personen herein. Ich erkenne Ezras Halbbruder, Cousin oder was auch immer, dessen Frau und einen Gemeindeschreiber. Wo ist er, fragt Ezras Halbbruder, spazieren, sage ich. Wie immer um diese Zeit, füge ich hinzu. Umso besser, sagt er, dann können wir Nägel mit Köpfen machen, gesetzliche Vertreter haben doch alle Vollmachten, oder? Ich zucke die Achseln und beobachte, wie er mehrere hochoffiziell aussehende Schriftstücke auf dem Tisch ausbreitet. Unterschreiben Sie hier, hier und hier, sagt er und sieht mich auffordernd an. Ich aber fege die Zettel mit einer Handbewegung vom Tisch. Unverfroren, sage ich, so unverfroren, wie unverfroren kann man sein.
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Pacta sunt servanda, sagt Ezra. Nicht in jedem Fall, sage ich, woraufhin er sich zum Fenster wendet und hinaus auf die taunasse Wiese schaut. Heute kommt keiner, sagt er nach einer Weile. Lass uns einen kleinen Spaziergang machen, sagt er und sieht mich auffordernd an. Aber ich möchte nicht. Heute nicht, sage ich und wende mich meinen Aufgaben zu. Ich eile geschäftig hin und her und Ezra sieht mir eine Weile mit vor der Brust verschränkten Armen zu. Schließlich wendet er sich achselzuckend ab. Er ruft Billie zu sich und schlägt die Tür hinter sich zu. Ich atme erleichtert auf und lasse mich auf dem bequemen Fauteuil in der Ecke nieder. Erfahrungsgemäß bleiben Ezra und Billie den Vormittag über im Wald und kehren erst gegen Mittag zurück. Bei der obersten Wegbiegung, knapp vor dem Gehöft, treffen sie üblicherweise auf Anton. Das kann mir nur recht sein. Ich habe mich Antons Loyalität versichert, er steht felsenfest hinter mir. Sollten die Dinge eskalieren, hält er mir die Stange, darauf hat er mir sein Wort gegeben. Versuche Ezra umzustimmen, alles andere lass mich machen, hat er gerade neulich gesagt. Ich vertraue ihm. Ezra wirft mir zwar immer wieder vor, dass ich zu gutgläubig bin, aber das stimmt nicht. Dass Anton es, laut Ezra, faustdick hinter den Ohren hat, mag sein. Das beunruhigt mich aber nicht wirklich. Viel eher beunruhigt mich, dass sich bis jetzt niemand gefunden hat, der Ezra von seinen verqueren Vorstellungen hätte abbringen können. Wir handhaben das wie immer, sagt er jedesmal, wenn ich ihm Vorhaltungen mache. Dass sich seine Situation vollkommen verändert hat, blendet er aus. Gebetsmühlenartig wiederholt er, dass Vereinbarungen einzuhalten sind. Bei Einwänden verlässt er den Raum oder hält sich die Ohren zu. Mit dieser Haltung steuert er direkt auf die Katastrophe zu, die wir doch alle vermeiden wollen, hat Anton gerade neulich zu mir gesagt und ich habe ihm recht geben müssen. Von ausserhalb, vom Wanderweg, der direkt an Ezras Hütte vorbeiführt, höre ich Stimmen. Harmlose Wanderer, denke ich mir noch, aber da pocht es schon an der Tür. Gut, dass Ezra nicht hier ist, denke ich mir, während ich mich mühsam aus meinem bequemen Sessel erhebe. Ich öffne zögernd und der Gutsverwalter drängt sich an mir vorbei und registriert sogleich, dass ich alleine bin. Schön, dass wir Sie alleine antreffen, sagt er, mit Anton ist ja nicht zu reden. Ezras tatsächlicher Name lautet Anton, das sollte man vielleicht wissen.
Pacta sunt servanda, sagt Ezra. Nicht in jedem Fall, sage ich, woraufhin er sich zum Fenster wendet und hinaus auf die taunasse Wiese schaut. Heute kommt keiner, sagt er nach einer Weile. Lass uns einen kleinen Spaziergang machen, sagt er und sieht mich auffordernd an. Aber ich möchte nicht. Heute nicht, sage ich und wende mich meinen Aufgaben zu. Ich eile geschäftig hin und her und Ezra sieht mir eine Weile mit vor der Brust verschränkten Armen zu. Schließlich wendet er sich achselzuckend ab. Er ruft Billie zu sich und schlägt die Tür hinter sich zu. Ich atme erleichtert auf und lasse mich auf dem bequemen Fauteuil in der Ecke nieder. Erfahrungsgemäß bleiben Ezra und Billie den Vormittag über im Wald und kehren erst gegen Mittag zurück. Bei der obersten Wegbiegung, knapp vor dem Gehöft, treffen sie üblicherweise auf Anton. Das kann mir nur recht sein. Ich habe mich Antons Loyalität versichert, er steht felsenfest hinter mir. Sollten die Dinge eskalieren, hält er mir die Stange, darauf hat er mir sein Wort gegeben. Versuche Ezra umzustimmen, alles andere lass mich machen, hat er gerade neulich gesagt. Ich vertraue ihm. Ezra wirft mir zwar immer wieder vor, dass ich zu gutgläubig bin, aber das stimmt nicht. Dass Anton es, laut Ezra, faustdick hinter den Ohren hat, mag sein. Das beunruhigt mich aber nicht wirklich. Viel eher beunruhigt mich, dass bis jetzt niemand Ezra von seinen verqueren Vorstellungen, wie unsere gegenwärtige Situation am besten zu handhaben ist, abbringen kann. Ich versuche mein Möglichstes, scheitere aber immer wieder. Vereinbarungen sind einzuhalten, sagt Ezra bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Bei jedwedem Einwand hält er sich die Ohren zu und sagt, dass er nichts mehr davon hören will. Mit dieser Haltung steuert er direkt auf die Katastrophe zu, die wir doch alle vermeiden wollen, hat Anton gerade neulich zu mir gesagt.
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Pacta sunt servanda, sagt Ezra. Nicht in jedem Fall, sage ich, woraufhin er sich zum Fenster wendet und hinaus auf die taunasse Wiese schaut. Heute kommt keiner, sagt er nach einer Weile. Lass uns einen kleinen Spaziergang machen, sagt er und sieht mich auffordernd an. Aber ich möchte nicht. Heute nicht, sage ich und wende mich meinen Aufgaben zu. Ich eile geschäftig hin und her und Ezra sieht mir eine Weile mit vor der Brust verschränkten Armen zu. Schließlich wendet er sich achselzuckend ab. Er ruft Billie zu sich und schlägt die Tür hinter sich zu. Ich atme erleichtert auf und lasse mich auf dem bequemen Fauteuil in der Ecke nieder. Erfahrungsgemäß bleiben Ezra und Billie den Vormittag über im Wald. Bei der obersten Wegbiegung, knapp vor dem Gehöft, treffen sie üblicherweise Anton. Das kann mir nur recht sein. Ich habe mich Antons Loyalität versichert, er steht felsenfest hinter mir. Sollten die Dinge eskalieren, hält er mir die Stange, darauf hat er mir sein Wort gegeben. Kümmere dich um nichts, lass alles mich machen, hat er gerade neulich gesagt. Ich vertraue ihm. Ezra wirft mir zwar immer wieder vor, dass ich zu gutgläubig bin, aber das stimmt nicht.
Pacta sunt servanda, sagt Ezra. Nicht in jedem Fall, sage ich, woraufhin er sich zum Fenster wendet und hinaus auf die taunasse Wiese schaut. Heute kommt keiner, sagt er nach einer Weile. Lass uns einen kleinen Spaziergang machen, sagt er und sieht mich auffordernd an. Aber ich möchte nicht. Heute nicht, sage ich und wende mich meinen Aufgaben zu. Ich eile geschäftig hin und her und Ezra sieht mir eine Weile mit vor der Brust verschränkten Armen zu. Schließlich wendet er sich achselzuckend ab. Er ruft Billie zu sich und schlägt die Tür hinter sich zu. Ich atme erleichtert auf. Die Dinge liegen im Argen, ich täusche mich nicht.
L’art pour l’art, hat Ezra gesagt und seine Flöten geordnet. Nach einer Weile hat er sich zu mir gewandt und gefragt, ob unsere Gäste wohl ein kleines Liedchen zu schätzen wissen werden. Vielleicht dieses hier, Sur le pont d’Avignon, das mögen alle, hat er gesagt und der kleinsten Flöte ein paar Misstöne entlockt. Er hat sie resigniert wieder abgesetzt und dem Kopfstück die Schuld gegeben. Verdammtes Kopfstück, hat er gesagt und so heftig daran gezogen, dass man das Holz knacken hören hat können. Durch Verlängern des Rohres und durch Ausziehen des Kopfes erreicht man einen tieferen Ton, durch Einschieben desselben einen höheren, hat er gesagt, nur falls du das nicht wissen solltest. Nur so ist es letztlich möglich, den für eine Flöte wie diese allseits geforderten Kammerton a zu erreichen, hat er gesagt. und mich auffordernd angesehen. Er hat Zuspruch erwartet, ich habe ihn aber bloß darauf hingewiesen, dass er mit seinen filigranen Instrumenten viel zu grob zu Werke geht. Du wirst sie dir ruinieren, habe ich gesagt, aber er hat bloß die Achseln gezuckt. Wenn sie doch aber allesamt so grässlich verstimmt sind, hat er gesagt und das Ziehen und Schieben und Drehen und Reiben fortgesetzt. Ich habe ihm eine Weile zugesehen und dann angeregt, dass er sich besser auf das bevorstehende Gespräch konzentrieren sollte. Tatsächlich werden der Ortsvorsteher und seine Entourage bald bei Ezra vorsprechen wollen. Aber Ezra hat bloß eine unwillige Geste gemacht, was will man immerzu von mir, hat er gefragt, ich möchte in Ruhe gelassen werden, das sollte mittlerweile allgemein bekannt sein. Er hat seine Flöten beiseite geschoben und ein düsteres Gesicht aufgesetzt. Man wird zuallererst von dir wissen wollen, wie du deine künftige Rolle als Gutsherr anlegen wirst, habe ich gesagt, es wird um Geschäftliches gehen, ob du alle Forstarbeiter weiter wirst beschäftigen wollen, ob du deine Verwandten weiter im Herrenhaus wohnen lassen wirst, ob du Änderungen in der Verwaltung vornehmen wirst. Um dergleichen wird es gehen, habe ich gesagt, aber Ezra hat die Hände an die Ohren gehoben und den Kopf abwehrend geschüttelt. Will nichts davon hören, hat er gesagt und eine unbedachte Bewegung gemacht. Dabei sind ein paar seiner Flöten zu Boden gefallen. Eine davon ist zu Bruch gegangen, wobei ein unangenehmes Knacksen zu hören gewesen ist. Oh meine Lieblingsflöte, hat Ezra gesagt, sie aufgehoben, eingehend untersucht und in einen weichen Lappen gehüllt. Was mich betrifft, so werde ich nicht anwesend sein, wenn der Ortsvorsteher heikle Gespräche mit Ezra führt. Ich und Billie werden einen ausgedehnten Waldspaziergang unternehmen. So ist es auch mit Ezra abgesprochen. Dass er mich vorhin gebeten hat, doch lieber zu bleiben und ihm unterstützend beizuspringen, falls es nötig sein sollte, habe ich abgelehnt. Du schaffst das alleine, Ezra, habe ich gesagt, allenfalls kann Anton dir beispringen. Niemanden extra muros, hat Ezra gesagt und als ich ein gutes Wort für Anton habe einlegen wollen, ist er mir über den Mund gefahren. Dabei ist Anton loyal allen gegenüber, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Apropos Feuer: Die Waldbrände breiten sich aus.
L’art pour l’art, hat Ezra gesagt und seine Flöten geordnet. Nach einer Weile hat er sich zu mir gewandt und gefragt, ob unsere Gäste wohl ein kleines Liedchen zu schätzen wissen werden. Vielleicht dieses hier, Sur le pont d’Avignon, das mögen alle, hat er gesagt und der kleinsten Flöte ein paar Misstöne entlockt. Er hat sie resigniert wieder abgesetzt und dem Kopfstück die Schuld gegeben. Verdammtes Kopfstück, hat er gesagt und so heftig daran gezogen, dass man das Holz knacken gehört hat. Durch Verlängern des Rohres und durch Ausziehen des Kopfes erreicht man einen tieferen Ton, durch Einschieben desselben einen höheren, hat er gesagt, nur falls du das nicht wissen solltest. Und nur so ist es letztlich möglich, den für eine Flöte wie diese allseits geforderten Kammerton a zu erreichen, hat er gesagt. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass er mit seinen filigranen Instrumenten viel zu grob zu Werke geht, aber er hat bloß die Achseln gezuckt. Wenn sie doch aber allesamt grässlich verstimmt sind, hat er gesagt und das Ziehen und Schieben und Drehen und Reiben fortgesetzt. Ich habe ihm eine Weile zugesehen und dann angeregt, dass er sich besser auf das bevorstehende Gespräch konzentrieren sollte, dass er bald mit dem Ortsvorsteher und seiner Entourage zu führen hat. Sie werden alsbald bei dir vorsprechen, habe ich gesagt, ganz so, wie sie es bereits angekündigt haben. Aber Ezra hat bloß eine unwillige Geste gemacht, was will man immerzu von mir, hat er gefragt, ich möchte in Ruhe gelassen werden, das sollte mittlerweile allgemein bekannt sein. Er seine Flöten beiseite geschoben und ein düsteres Gesicht aufgesetzt. Man wird zuallererst von dir wissen wollen, wie du deine künftige Rolle als Gutsherr anlegen wirst, habe ich gesagt, es wird um Geschäftliches gehen, ob du alle Forstarbeiter weiter wirst beschäftigen wollen, ob du deine Verwandten weiter im Herrenhaus wohnen lassen wirst, ob du Änderungen in der Verwaltung vornehmen wirst. Um dergleichen wird es gehen, habe ich gesagt, aber Ezra hat die Hände an die Ohren gehoben und den Kopf abwehrend geschüttelt. Will nichts davon hören, hat er gesagt und eine unbedachte Bewegung gemacht. Ein paar seiner Flöten sind zu Boden gefallen und mit einem unangenehmen Knacksen ist eine davon zu Bruch gegangen. Auch das noch, hat Ezra gesagt, sie aufgehoben und in einen weichen Lappen gehüllt. Ich selbst werde nicht anwesend sein, wenn der Ortsvorsteher höchstselbst samt seiner Entourage bei Ezra vorspricht. Ich und Billie werden einen ausgedehnten Waldspaziergang unternehmen, so ist es auch mit Ezra abgesprochen. Dass er mich vorhin gebeten hat, doch lieber zu bleiben und ihm unterstützend beizuspringen, falls es nötig sein sollte, habe ich abgelehnt. Du schaffst das alleine, Ezra, habe ich gesagt, allenfalls kann Anton dir beispringen
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L’art pour l’art, hat Ezra gesagt und seine Flöten geordnet. Nach einer Weile hat er sich zu mir gewandt und gefragt, ob unsere Gäste wohl ein kleines Liedchen zu schätzen wissen werden. Sur le pont d’Avignon, hat er gesagt und der kleinsten Flöte ein paar Misstöne entlockt. Er hat sie abgesetzt und am Kopfstück so heftig gezogen, dass man das Holz knacken hören hat können. Durch Verlängern des Rohres und durch Ausziehen des Kopfes erreicht man einen tieferen Ton, durch Einschieben desselben einen höheren, hat er gesagt, nur falls du das nicht wissen solltest. Nur so erreicht man letztlich den Kammerton a, hat er gesagt, der unerläßlich ist. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass er mit seinen filigranen Instrumenten viel zu grob zu Werke geht, aber er hat bloß die Achseln gezuckt. Wenn sie doch aber allesamt grässlich verstimmt sind, hat er gesagt. Ich habe ihn gebeten, seine Flöten beiseite zu schieben und sich auf das bevorstehende Gespräch mit dem Ortsvorsteher und dem Gutsverwalter vorzubereiten. Du musst dich präparieren, habe ich gesagt, sie sollen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Aber Ezra hat bloß eine unwillige Geste gemacht, was will man immerzu von mir, hat er gefragt, ich möchte in Ruhe gelassen werden, sonst nichts. Er seine Flöten beiseite geschoben und ein düsteres Gesicht aufgesetzt. Man wird zuallererst von dir wissen wollen, wie deine künftige Rolle als Gutsherr anlegen wirst, habe ich gesagt, es wird um Geschäftliches gehen, ob du alle Forstarbeiter weiter wirst beschäftigen wollen, ob du deine Verwandten weiter im Herrenhaus wohnen lassen wirst, ob du Änderungen in der Verwaltung vornehmen wirst. Um dergleichen wird es gehen, habe ich gesagt, aber Ezra hat die Hände an die Ohren gehoben und den Kopf abwehrend geschüttelt. Will nichts davon hören, hat er gesagt, ausgeholt und dem Tischbein einen Tritt versetzt. Ein paar seiner Flöten sind zu Boden gefallen und mit einem unangenehmen Knacksen ist eine davon zu Bruch gegangen. Auch das noch, hat Ezra gesagt, sie aufgehoben und in einen weichen Lappen gehüllt. Ich selbst werde nicht anwesend sein, wenn der Ortsvorsteher höchstselbst samt seiner Entourage bei Ezra vorspricht. Ich und Billie werden einen ausgedehnten Waldspaziergang unternehmen, so ist es auch mit Ezra abgesprochen. Dass er mich vorhin gebeten hat, doch lieber zu bleiben und ihm unterstützend beizuspringen, falls es nötig sein sollte, habe ich abgelehnt. Du schaffst das alleine, Ezra, habe ich gesagt, allenfalls kann Anton dir beispringen.
L’art pour l’art, hat Ezra gesagt und begonnen, seine Flöten zu ordnen. Nach einer Weile hat er sich zu mir gewandt und gefragt, ob unsere Gäste wohl ein kleines Liedchen zu schätzen wissen werden. Im reinsten Kammerton a, hat er gesagt und an den Kopfstücken der Flöten gedreht und gezogen. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass er seine Flöten ruinieren wird, aber er hat bloß die Achseln gezuckt. Sind doch allesamt grässlich verstimmt, hat er gesagt, und vollkommen unbrauchbar in diesem Zustand. Dann hat er begonnen, eine nach der anderen zu probieren und ein kakophonisches Durcheinander verursacht. Ich habe ihn gebeten, damit aufzuhören. Bald stehen der Ortsvorsteher und des Gutsverwalter vor der Tür, habe ich gesagt, du musst dich ihnen in einem herzeigbaren Zustand präsentieren. Was will man immerzu von mir, hat Ezra aber bloß gefragt. Er hat seine Flöten unwillig beiseite geschoben, ein düsteres Gesicht aufgesetzt und die Arme vor der Brust verschränkt. Man wird von dir wissen wollen, wie deine künftige Rolle als Gutsherr anlegen wirst, habe ich gesagt, es wird um Geschäftliches gehen, ob du alle Forstarbeiter weiter wirst beschäftigen wollen, ob du deine Verwandten weiter im Herrenhaus wohnen lassen wirst, ob du Änderungen in der Verwaltung vornehmen wirst. Um dergleichen wird es gehen, habe ich gesagt. Ezra hat eine abwehrende Bewegung gemacht, sodass ein paar seiner Flöten zu Boden gefallen sind. Das auch noch, hat er gesagt. Er hat sie aufgehoben, mit einem weichen Lappen poliert und ein Liedchen versucht. Sur le pont d’Avignon, hat er gesagt und der kleisnten Flöte ein paar Mißtöne entlockt. Er hat sie abgesetzt und am Kopfstück so heftig gezogen, dass man das Holz knacken hören hat können. Durch Verlängern des Rohres und durch Ausziehen des Kopfes erreicht man einen tieferen Ton, durch Einschieben desselben einen höheren, hat er gesagt, nur falls du das nicht wissen solltest. Schon gut Ezra, habe ich gesagt, Billie zu mir gerufen und mich zur Tür gewandt. Ich werde nicht anwesend sein, wenn der Ortsvorsteher höchstselbst samt seiner Entourage bei Ezra vorspricht. Ich und Billie werden einen ausgedehnten Waldspaziergang unternehmen, so ist es auch mit Ezra abgesprochen. Dass er mich vorhin gebeten hat, doch lieber zu bleiben und ihm unterstützend beizuspringen, falls es nötig sein sollte, habe ich abgelehnt. Du schaffst das alleine, Ezra, habe ich gesagt, allenfalls kann Anton dir beispringen.
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Ich hätte dort nicht gewesen sein wollen, sagt Edna und macht mit ihrer linken Hand diese charakteristische Geste. Sie zeigt dabei schräg nach hinten, gleichzeitig aber nach oben und ich weiß natürlich, wovon die Rede ist. Verstehe ich vollkommen, sage ich, halte mich aber ansonsten bedeckt. Sobald Edna von denen da oben zu reden beginnt, versuche ich, das Thema zu wechseln. Gelingt mir aber leider nicht immer. Die Ritterspiele, von denen da oben veranstaltet, sind soeben zu Ende gegangen. Sie geben Edna Anlass zu endlosen Tiraden. Dass es letztes Jahr einen tragischen Todesfall gegeben hat, ist dabei selbstredend Wasser auf ihre Mühlen. Sollte alles vertuscht werden, sagt sie. Ist aber letztendlich nicht gelungen, sagt sie und lächelt triumphierend. Der Vorfall hat ja auch tatsächlich viel Staub aufgewirbelt. Noch immer wird kaum darüber gesprochen. Dass es der grosse finale Schaukampf war, bei dem einer der Teilnehmer zu Tode gekommen ist, erfährt man nur hinter vorgehaltener Hand. Edna nimmt sich aber kein Blatt vor den Mund. Man geht über Leichen dort oben, sagt sie. Meine Beschwichtigungsversuche schlagen regelmäßig fehl. Sage ich, dass sie maßlos übertreibt, sucht sie türenschlagend das Weite. Worüber ich Edna nichts erzähle, ist meine Begegnung mit ihrem Cousin, Halbbruder oder was auch immer, an die ich mich durchaus mit Wohlgefallen erinnere. Noch jetzt denke ich manchmal an den Turnierplatz, die Tribüne, die verborgene Asservatenkammer und die Verwahrstücke darin. Dankbar bin ich auch gewesen, weil Ednas Verwandter mich in einem abgelegenen Waldstück aufgelesen und mit sich genommen hat. Tatsächlich ist mein Zustand der erbärmlichste gewesen. Mein Retter hat mich in einem geheizten Raum geführt und mir zu essen gegeben. Erst später hat er mich gefragt, wie ich in diese mißliche Lage geraten bin. Nächtens, mitten im Wald, vollkommen allein und auf sich gestellt, wie kommt das, hat er gefragt. Übermut, Unvorsichtigkeit, was weiß ich, habe ich gesagt und mich im übrigen bedeckt gehalten, so ist mir Ednas Name nicht ein einziges Mal über die Lippen gekommen. Als ich einigermaßen wiederhergestellt war, hat mich mein Retter durch sein Anwesen geführt. Während wir quer über den noch zerwühlten Turnierplatz gegangen sind, hat er mir alles erklärt, die jährlich veranstalteten Ritterspiele beschrieben und eine verborgene Tür unter der Tribüne geöffnet. Sehen Sie sich alles genau an, hat er gesagt, die Lanzen, die Kettenhemden und Vollvisierhelme sind einzigartig und nirgendwo sonst zu sehen. Auch unser prunkvoller Schaukampf macht jedes Jahr von sich reden. Dann hat er mir eine Einladung für das nächste Jahr in Aussicht gestellt und in höchsten Tönen von den beeindruckenden Bildern geschwärmt. Alle tragen historische Kostüme und für die Damen werden die Kleider eigens angefertigt, hat mein Retter gesagt, es ist ein wirklich einzigartiges Schauspiel. Währenddessen hat er mich zu einer weiteren, ein wenig versteckten Tür unter der Tribüne geführt und sie einladend geöffnet. Honi soit qui mal y pense, hat er gesagt und mir den Vortritt gelassen. Er hat mir erklärt, dass hier die wirklich kostbaren Stücke aufbewahrt werden und tatsächlich habe ich zuallererst einen sehr schönen, goldglänzenden, im schräg einfallenden Licht auffunkelnden Brustpanzer wahrnehmen können.
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Da ist er schon drei Tage gestorben gewesen, sagt Ezra aus heiterem Himmel. Wer, frage ich, wer ist drei Tage gestorben gewesen, aber Ezra dreht mir den Rücken zu und antwortet nicht. Also frage ich bei Anton nach. Du weisst aber auch rein gar nichts, sagt er und betrachtet mich kopfschüttelnd. Wer, frage ich nochmals, wer ist drei Tage gestorben gewesen. Gestorben gewesen, bevor man ihn gefunden hat, nehme ich an, füge ich hinzu. Sein Vorgänger, hat Anton gesagt und macht eine Kopfbewegung in Richtung Ezras, sein Vorgänger in der Erbfolge ist drei Tage gestorben gewesen, bevor man ihn gefunden hat. In einer Erdspalte im übrigen. Darin hat er sich verkrochen gehabt, tief drinnen in einer Höhle. Ohne Hunde hätte er nie und nimmer gefunden werden können, fügt er hinzu und wirft einen Blick auf den aus dem Fenster starrenden Ezra. Und woran, frage ich nach einer Weile, was woran, fragt Anton, woran ist er gestorben, frage ich. Am übermäßigen Genuss eines in dieser Gegend gebräuchlichen Mittels zur Steigerung der Leistungsfähigkeit, sagt Ezra, am landläufig so genannten Hittrach, wenn dir das etwas sagt. Nein, tut es nicht, antworte ich und denke mir,dass Antons Antwort an Präzision nichts zu wünschen übrig lässt. Wollen wir es dabei bewenden lassen, fragt Anton, gerne, sage ich. Antons besserwisserische Art ist oftmals nur schwer zu ertragen. Ist ausserdem doch völlig egal, sagt er nach einer Weile. Le roi est mort vive le roi, sagt er und weist auf den reglos dasitzenden Ezra. Mag sein, sage ich und schlage Ezra einen kleinen Spaziergang vor, was Antons ungeteilte Zustimmung findet. Eine hervorragende Idee, sagt er. Wohin sollen wir gehen, frage ich, egal wohin, sagt er. Jetzt hat es aber das Unglück gewollt, dass wir unversehens in die Nähe der Höhle gelangt sind. Der Weg hat uns tiefer und tiefer in den Wald hineingeführt und bald haben wir die Orientierung verloren gehabt. Wo gehen wir eigentlich hin, hat Ezra nach einer Weile gefragt, das wollte ich dich gerade fragen, habe ich gesagt. Wir sind beide zugleich erschrocken stehengeblieben, weil sich direkt über uns die Höhle geöffnet hat. Ich habe schnell kehrtmachen wollen und bei mir gedacht, dass es dazu nicht hätte kommen dürfen. Was tun wir hier, hat Ezra gefragt, wieso sind wir ausgerechnet hier gelandet. Reiner Zufall, habe ich gesagt und den Rückweg antreten wollen. Aber Ezra hat ein paar Schritte rückwärts gemacht und ist über eine weit aus dem Boden ragende Wurzel gestolpert. Er ist hingefallen, hat sein Knie nicht mehr bewegen können und über starke Schmerzen geklagt. Setzen wir uns doch eine Weile, habe ich gesagt und den sich sträubenden Ezra mit mir zum Höhleneingang gezogen. Der Wind hat dort reichlich trockenes Laub aufgehäuft gehabt und wir haben ein sehr bequemes Plätzchen gefunden. Was tun wir hier, hat Ezra erneut gefragt, wir warten, bis der Schmerz in deinem Knie nachlässt, habe ich gesagt. Eine Weile sind wir stumm nebeneinander gesessen, dann habe ich ihn gebeten, ein kleines Lied auf seiner Flöte zu spielen. Er ist meiner Bitte nur zögernd nachgekommen.
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Bruno lasset uns ein Fenster machen, höre ich Ezra in meinem Rücken flüstern. Ich wende mich abrupt um und sehe, dass er ein Buch in der Hand hält. Ezra ist verändert in letzter Zeit, da gibt es nichts zu beschönigen. Was faselst du da, frage ich, aber er zuckt bloß die Achseln. Nach einer Weile fragt er mich, ob ich ihm zur Hand gehen kann. Wobei, frage ich, weiss aber natürlich, was Ezra vorhat. Tatsächlich ist es mir geradezu ein Vergnügen ihn mit meiner Mithilfe in eine Femme fatale zu verwandeln. Neulich ist Anton vorbeigekommen, gerade als ich letzte Hand an Ezras Frisur gelegt habe. Er hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, aber da er Ezra schon lange kennt, viel länger als ich, weiss er natürlich um seine Vorlieben. Wie siehst du denn aus, hat er gefragt, aber keine Antwort bekommen, weil Ezra in sein Spiegelbild versunken gewesen ist. Nichtbeachtung macht Anton wütend wie nichts anderes. Bist du taub, hat er gefragt, ich rede mit dir. Ezras gleichgültiges Achselzucken hat dann dem Faß den Boden ausgeschlagen. Anton ist auf Ezra zugegangen, hat ihn an der Schulter gepackt und zu Boden gestoßen. Ezra hat zu kreischen begonnen, ich habe ihm wieder auf die Füsse geholfen und zugesehen, dass sich die Lage beruhigt. Das ist doch ein Tollhaus hier, hat Anton gesagt und nach dem Buch gegriffen, das auf Ezras Tischchen gelegen ist. Er hat mit hochgezogenen Brauen darin geblättert und mehrfach den Kopf geschüttelt. Du guter Gott, hat er gesagt, was soll das heißen. Bruno, lasset uns ein Fenster machen. Ezra hat ihm das Buch aus der Hand genommen, sorgsam die Seiten geglättet und es in seine Jackentasche geschoben. Antwortet mir hier vielleicht auch einmal jemand, hat Anton gesagt und sich zu mir gewandt. Er hat mir an den Kopf geworfen, dass ich ja eigentlich an allem schuld bin. Hätten sich deine und Ezras Wege nicht gekreuzt, wäre alles gänzlich anders verlaufen, hat er hinzugefügt und mir Schläge angedroht. Das hat aber sogleich Ezra auf den Plan gerufen. Er hat sich schützend vor mich gestellt und Anton die Tür gewiesen. Ich habe, um das Maß voll zu machen, gefragt, ob er, bevor er geht, noch eine Tasse Tee möchte. Daraufhin ist er hinausgestürmt, hat die Tür hinter sich zugeschlagen und den Schlüssel im Schloß umgedreht. Sperrt uns glatt ein, hat Ezra gesagt, schreckt tatsächlich vor nichts zurück. Um sich zu beruhigen, hat er nach seiner Flöte gegriffen und sein Lieblingslied gespielt. Ich habe mich an das Fenster gestellt, Anton im Schuppen verschwinden sehen und mich einer schlimmen Vorahnung nicht erwehren können. Komm her, schnell, habe ich zu Ezra gesagt, sieh dir das an. Um beide zugleich aus dem Fenster sehen zu können, haben wir unsere Wangen aneinander legen müssen. Wir haben zugesehen, wie Anton sich mit mehreren langen Brettern und dem Handwerkskasten abgemüht hat. Wenn er uns nicht eingesperrt hätte, könnten wir ihm zu Hilfe kommen, hat Ezra gesagt und sich ausschütten wollen vor Lachen. Er will unsere Fenster vernageln, habe ich gesagt und Ezra aufgefordert, ein wenig mehr Ernst an den Tag zu legen. Als Anton das längste Brett quer über unser Fenster genagelt hat, haben wir es reglos geschehen lassen. Die Hammerschläge müssen weithin zu hören gewesen sein. Lasset uns ein Fenster machen, habe ich Ezra neben mir sagen hören. Dann hat er wieder nach seiner Flöte gegriffen.
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Canary in a coal mine, sagt Edna. Was meinst du, frage ich, aber Edna zuckt bloß die Achseln und wendet sich ab. Seit meiner kleinen Eskapade ist unser Verhältnis nachhaltig gestört, man kann es nicht anders nennen. Oft murmelt Edna etwas Unverständliches und wenn ich nachfrage, antwortet sie nicht. So kann man nicht auf ohnehin engem Raum zusammen leben, also ist es an mir, die Konsequenzen zu ziehen. Ich habe deshalb heute vormittag begonnen, meine Sachen zu packen. Das hat Edna aber sogleich auf den Plan gerufen. Was soll das, wo willst du hin, hat sie alarmiert gefragt und auf meinen bereits vollgestopften Rucksack gewiesen. Wonach sieht es denn aus, Edna, habe ich gefragt und meine guten Schuhe aussen am Rucksack mit Schnüren befestigt. Du bleibst hier, hat Edna gesagt und versucht, mir die Schuhe aus der Hand zu reißen. Daraus ist eine Rangelei entstanden, die in der Folge etwas ausser Kontrolle geraten ist. Ich bin weitaus stärker als Edna. Ich habe sie gegen die Wand gestoßen, an den Armen gepackt und mein Gesicht ganz nahe an ihres gebracht. Die Luft ist vergiftet hier drinnen, habe ich gesagt, tödliche Dämpfe steigen auf, spürst du das nicht? Sei du doch der Kanarienvogel in der Kohlenmine, habe ich gesagt und Edna ganz fest zu Boden gedrückt. Sing, Edna, habe ich gesagt, so sing doch. Edna hat sich verzweifelt zur Wehr gesetzt und vergebens versucht, wieder auf die Beine zu kommen. Das ist ihr aber nicht gelungen. Ich habe ihren Kopf zu fassen gekriegt und ihr Gesicht gegen die breiten Bohlen mit den fingerdicken Spalten dazwischen gedrückt. Holzdielen gedrückt. Durch die Spalten können die giftigen Gase ungehindert aufsteigen, sie sind vollkommen geruchlos, man merkt lange nichts. Tief atmen, Edna, habe ich gesagt, tief einatmen. Ich bin selber ein wenig benommen gewesen, man muss in dieser Hütte zusehen, die Türen und Fenster weit offen zu lassen, sonst steigt die Konzentration der gefährlichen Gase rasch an. Als Ednas Strampeln und Umsichschlagen ein wenig nachgelassen hat, habe ich meinen Griff gelockert. Beruhige dich, Edna, habe ich gesagt, ich mache nur Spaß, ich nehme nur ein kleines Experiment vor. Das müsstest du doch verstehen, habe ich gesagt, aber sogleich erkennen müssen, dass es Edna nur darum zu tun gewesen ist, wieder auf die Beine zu kommen. Das Ganze hätte tatsächlich schlimm ausgehen können, wenn Anton nicht plötzlich aufgetaucht wäre. Aufhören, sofort, hat er gerufen und mich von Edna weggezerrt. Er hat mich gefragt, ob ich verrückt bin und Edna auf die Beine geholfen. Dann hat er sie zum Sofa in der Ecke geführt und zugesehen, dass sie bequem liegt. Willst du sie wohl endlich in Ruhe lassen, hat er gefragt, mir einen schmerzhaften Schlag versetzt und sich kopfschüttelnd über mein schlechtes Benehmen ausgelassen. Ich habe ihm die Situation erklären wollen und, als ich Ednas Benehmen mir gegenüber erwähnt habe, ein Schluchzen nicht unterdrücken können. Ach, jetzt weinen wir also wieder ein wenig, hat Anton aber bloß gesagt, mir abermals einen Schlag versetzt und sich abgewandt. Er ist ein roher Geselle, das muss man sagen.
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Höhlenkind, Angsthase, sagt Edna. Raised by wolves, sagt sie. Das kränkt mich. Habs nicht so gemeint, Hasenherz, sagt Edna und schlägt einen versöhnlichen Ton an. Nicht böse sein, Hasenfuß, sagt sie und macht einen Witz über eines meiner zahlreichen Missgeschicke. Um die Situation ein klein wenig zu entspannen, fügt sie hinzu. Ich frage mich, wie lange wir diese Zusammenkünfte wohl noch aufrechterhalten wollen. Einfach ist das nicht, für keinen von uns. Besuche ich Edna unvorbereitet, fühlt sie sich gestört. Bleibe ich für längere Zeit weg, macht sie mir die schlimmsten Vorwürfe. Kannst gleich wieder gehen, sagt sie und ist mißgelaunt, den ganzen Tag lang. Hat sie sich endlich ein wenig erholt, muß ich für das eine oder andere Experiment zur Verfügung stehen. Sie geht zur immer gleichen Schublade, holt eine Stimmgabel heraus und schlägt sie gegen die Tischkante oder ihre Schuhsohle. Hör genau hin, sagt sie, obertonarm und vollkommen klar wie es sein soll. Sie fordert mich auf, ihr Lieblingslied zu singen und akzeptiert keine Ausrede. Lass mich es hören, sagt sie. Behaupte ich, seit Tagen heiser zu sein, zuckt sie bloß die Achseln. Sie hält die Stimmgabel ganz nahe an mein Ohr und redet davon, dass ja eigentlich der Kopf der beste Resonanzkörper ist. Vor allem der Schädelknochen eignet sich bestens, sagt sie. Es ist beinahe unerträglich, den sirrenden hohenTon so nahe an meinem Ohr zu haben. Hör auf damit, Edna, sage ich und an meinem Tonfall merkt sie, dass es mir ernst ist. Mit einem bedauernden Achselzuckend nimmt sie die Stimmgabel weg und nennt mich Spielverderber. Du bist nicht mehr so willfährig wie früher, das macht es schwieriger. Damit mag sie recht haben. Früher habe ich manchmal, um sie gnädig zu stimmen, ihr Lieblingslied angestimmt. Jetzt tue ich das nicht mehr. Sing Hasenherz, sagt Edna ein ums andere Mal, aber ich weigere mich. Ednas Lieblingslied ist, wie nicht anders zu erwarten, ein anspruchsvolles das zu beherrschen jedermann einiges abverlangt. Hat noch keiner singen können so wie du, hat Edna früher ein ums andere Mal zu mir gesagt und ich bin geschmeichelt gewesen. Gleichzeitig habe ich aber gewusst, dass sie das nur sagt, um mich bei der Stange zu halten. Tatsächlich sind meine Gesangskünste mittelmäßig, niemand wüsste das besser als ich selber. Jetzt allerdings liegen die Dinge im Argen. Edna gibt mir unverhohlen zu verstehen, dass ich ihr Vertrauen verloren habe. Du hättest nicht weglaufen sollen, sagt sie und spielt damit auf meine kleine Eskapade an, die ich ohnehin schon bitter bereue. Hast du Sehnsucht nach deiner Höhle, fragt sie manchmal. Nein, warum, frage ich, bemühe mich um einen unverfänglichen Ton und versuche, sie milde zu stimmen. Hör zu Edna, sage ich und will ihr Lieblingslied anstimmen. Aber weil nur ein Krächzen aus meiner Kehle kommt, bringt Edna mich mit einer Handbewegung zum Verstummen. Dünn, versagend, zittrig, sagt sie und schüttelt verärgert den Kopf.
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Hellhöriges Hasenherz, sagt Ezra des öfteren zu mir. Ich nehme es als Kompliment. Und es ist ja auch eine Tatsache, dass mich der Klang der Kirchenglocke letztlich auf Ezras Spur gebracht hat. Ich höre die Glocke läuten, seit ich Ezra regelmäßig besuche und weiß genau, wie sie klingen muss. Aber von Anfang an: Als Ezra verschwunden gewesen ist, von einem Tag auf den anderen, hat mich das eine ganze Weile nicht sonderlich beunruhigt. Dann aber ist Anton, Ezras Ziehvater, eines Tages vor der Tür gestanden und hat mich einer dringlichen Befragung unterzogen. Da bin ich, im wahrsten Sinn des Wortes, hellhörig geworden. Man muss vielleicht hinzufügen, dass Anton und ich uns nach Möglichkeit aus dem Weg gehen. Er legt mir gegenüber seit jeher große Missachtung an den Tag und behandelt mich wie einen Lakai. Auch diesmal ist er grußlos in die Hütte getreten und hat mich angeherrscht, ihm sofort Ezras Aufenthaltsort zu nennen. Und keine Ausflüchte, hat er gesagt und seine prüfenden Blicke haben jeden Winkel der Hütte abgetastet. Ich weiss nicht, wo er ist, habe ich wahrheitsgemäß und mit stockender Stimme gesagt. Hat er nichts gesagt, nicht die geringste Andeutung gemacht, hat Anton gefragt. Nein, habe ich gesagt. Er hat mich einer gnadenlosen Musterung unterzogen und sich schließlich grußlos zum Gehen gewandt. Als er außer Sichtweite gewesen ist, habe ich mich auf das Bänkchen vor der Hütte gesetzt. Da ist mir der dumpfe Klang der Kirchenglocke zum ersten Mal aufgefallen. Das Glockenläuten ist hier heroben besonders deutlich zu hören und es ist gänzlich verändert gewesen. Mit einem Mal habe ich gewusst, wo Ezra zu finden ist. Ich habe mir dann später die schlimmsten Vorwürfe gemacht. Tatsächlich hat man ihn übel zugerichtet in der Glocke gefunden. Er hat sich mehrere Tage dort halten können, mit Hilfe von Seilen und anstatt des Klöppels. Wie er das geschafft hat, haben wir noch nicht herausfinden können, hat der Einsatzleiter zu mir gesagt, als er und der Dorfpolizist plötzlich vor meiner Tür gestanden sind. So bin ich, zu guter Letzt, selber in Verdacht geraten. Aber ich habe nichts, nicht das Geringste, damit zu tun. Ezra muss sich, ganz im geheimen, lange darauf vorbereitet haben. Jetzt höre ich, dass es kaum möglich war, ihn zu bergen. Er war bewusstlos, blutig geschlagen am ganzen Körper und hätte nicht mehr lange überlebt, hat der Einsatzleiter gesagt. Muss alles lückenlos dokumentiert werden, haben der Dorfpolizist und der Einsatzleiter gesagt, so einen Fall hat es noch nicht gegeben, das ist einzigartig. Ich habe Kooperation vorgeschützt, in Wahrheit aber bei mir selber gedacht, dass es einzig meine Schuld ist. Hätte ich mehr auf Ezras Worte gegeben, hätte sich diese Situation verhindern lassen. Der Klöppel in der Glocke, der will ich sein, hat er mehr als einmal gesagt. Ich habe das aber nicht hören wollen und ihm regelmäßig den Mund verboten. Hat er sein Vorhaben angekündigt, haben mich der Dorfpolizist und der Einsatzleiter gefragt, nicht im geringsten, habe ich gesagt. Er muss Helfer gehabt haben, hat der Einsatzleiter gesagt und sein Mißtrauen mir gegenüber ist mit Händen zu greifen gewesen. So gerate ich, zu allem anderen, in den Verdacht, Ezra behilflich gewesen zu sein. Nichts hätte mir aber ferner liegen können.
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Kakophonisch, sagt Ezra, alles auf das Schlechteste gestimmt, hör dir das an. Wir legen unser Ohr an die Kirchentür und tatsächlich sind die Töne die unreinsten. Aber trotzdem erkenne ich die Melodie. Ezra will mich mit sich ziehen, aber ich weigere mich. Hörst du es nicht, frage ich, man hört es doch, durch die falschen Töne hindurch. Was soll ich hören, fragt Ezra, das Lied, sage ich, sie singen das beste und schönste Lied, das es gibt. Du fantasierst, Hasenfuß, sagt Ezra und versucht erneut, mich von der Kirchentüre wegzuziehen. Aber ich widersetze mich. Als das Lied zu Ende ist und eine kurze Stille folgt, hört man die Kirchenbesucher. Sie räuspern sich und scharren mit den Füßen. Dann erhebt der Pfarrer die Stimme. Die Gläubigen antworten monoton. Komm doch endlich weiter, Hasenherz, sagt Ezra, wir sollten zusehen, dass wir vorankommen, oder willst du ewig hier stehenbleiben? Laß mich, sage ich aber, vielleicht singen sie das Lied nochmals. Das tun sie nicht, sagt Ezra, du hast wenig Ahnung von christlichen Zeremonien, stimmts? Ich zucke die Achseln, wehre Ezra ab und halte mich an der Kirchentür fest. Geh du schon einmal voran, sage ich zu ihm, ich komme dann alsbald nach. Es ist eine Tatsache, dass in der Folge das Ganze ein wenig aus dem Ruder gelaufen ist. Ezras Überredungsversuche haben nichts genützt, denn ich habe mich rundweg geweigert, meinen Platz an der Kirchentür zu verlassen. Schließlich hat er sich resigniert abgewandt und gesagt, dass ich tun kann, was ich will. Fein Ezra, habe ich gesagt, endlich hast du es begriffen. Er hat sich umgedreht und ist mit ein wenig schlurfenden Schritten quer über den Kirchenplatz gegangen. Ich selber habe mich gegen die Kirchentür gestemmt, sodass sie sich ein wenig geöffnet hat und ich hindurchschlüpfen habe können. Sogleich habe ich mich hinter einer Säule versteckt. Soviel Vorsicht wäre aber gar nicht nötig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hat man mich im Dorf ohnehin noch nicht gekannt, oder wenn, dann nur in Verbindung mit Ezra. Wer ist die da, die neben Anton, habe ich es schon mehrfach hinter mir flüstern hören. Bin ich aber alleine, achtet niemand auf mich, was ich mir selbstredend zu Nutze mache. So habe ich es auch dieses Mal gehalten. Ich habe die Zeremonie, die weiter vorne stattgefunden hat, mit Interesse und gänzlich unbeobachtet verfolgen können. Als die Glocke zu läuten begonnen hat, habe ich mich tiefer in den Schatten zurückgezogen. Aber das hat nicht ausgereicht. Die ersten Kirchenbesucher haben ihre Sitze bereits verlassen gehabt und sind geradewegs auf mich zugekommen. Das Tor hat sich hinter mir weit geöffnet und ein scharfer Lichtstrahl ist auf mich gefallen. Ich habe mich auf die seitwärts gelegene Treppe geflüchtet und begonnen, sie emporzusteigen. Rasch habe ich an Höhe gewonnen, durch die kleinen Luken den Marktplatz unter mir liegen sehen und mich im Handumdrehen direkt im hölzernen Glockenturm wiedergefunden. Das Läuten ist ohrenbetäubend und äußerst mißtönend gewesen. Ich habe mir gedacht, dass der Pfarrer vollkommen recht hat. Bei seinem letzten Besuch hat er nämlich um eine Spende gebeten. Wir müssen den Klöppel der Glocke erneuern, hat er gesagt, das steht ganz oben auf der Agenda. Die Leute wollen die Glocke schon nicht mehr hören und halten sich die Ohren zu, wenn geläutet wird. Das ist nicht der Sinn der Sache. Da du jetzt die Nachfolge unserer Herrschaft antrittst, solltest du dich an den Kosten beteiligen, Anton, hat er hinzugefügt. Ezra hat sich aber keine Zusagen entlocken lassen. Später hat er dann zu mir gesagt, dass er selber der Klöppel in der Glocke sein will, des schönen Klanges wegen. Eine kleine Zuwendung meinerseits, wie gewünscht, hat er gesagt, die Dorfgemeinschaft wird es mir danken. Ich habe ihm den Mund verboten und gesagt, dass ich nichts davon hören will.
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Alljährlich veranstalten wir hier eine tjost, hat Ezras naher Verwandter gesagt, wenn Sie mögen, laden wir Sie gerne ein, daran mitzuwirken. Ich habe ihn ratlos angesehen, Sie wissen nicht, was das ist, hat er gesagt, nein, habe ich gesagt. Das ist ein ritterlicher Zweikampf mit der Lanze zu Pferd, hat er in dozierendem Tonfall gesagt, ahja, habe ich gesagt und mich desinteressiert abgewandt. Wir suchen immer Publikum, das auf den Tribünen authentisch wirkt, hat er hinzugefügt. Was bei Ihnen auf jeden Fall gewährleistet wäre. Er hat mich eingehend gemustert und mir aufmunternd zugenickt, aber ich habe abgelehnt. Ich glaube, nicht, dass ich Ihre Einladung wahrnehmen kann, habe ich gesagt, Ezra würde das nicht gutheißen. Dann kommen Sie eben ohne Ezra, hat der Herr gesagt, es ist ein farbenprächtiges Spektakel, das jedermann gefällt, man muss das gesehen haben. Ich habe mich an die Mittelalterfeste in meiner Heimatstadt erinnert und an das Defilee, an die berittenen Boten und die Ritter und an die mit Schabracken behängten Pferde. Ich habe mich immer an den industriell hergestellten Stoffen und den viel zu grellen Farben gestoßen, niemals hat das im Mittelalter so ausgesehen, habe ich mir immer gedacht, die Farben müssen gedämpfter und also viel schöner gewesen sein. Ezras Halbbruder, Cousin oder was auch immer hat mich über den Turnierplatz geführt, er hat sehr ungepflegt gewirkt, das Gras ist kniehoch gestanden und ein Pfeiler an der Tribüne ist eingeknickt gewesen. Sieht leider nicht allzu gepflegt aus, hat Ezras Cousin gesagt und meinen Blick richtig gedeutet, aber das Anwesen ist riesig und wir müssen Prioritäten setzen. Verstehe, habe ich gesagt und bin hinter ihm durch ein kleines Türchen in einen halbdunklen Raum geschlüpft. Wie gehts Anton, hat er gefragt, Ezra geht es nicht so gut, habe ich gesagt, er hat sich zahlreiche Aufgaben aufgeladen, die ihm alles abverlangen. Und welche Aufgaben wären das genau, hat mein Wegbegleiter gefragt, aber das wissen Sie doch, habe ich gesagt, er ist Zeremonienmeister, Tempelherr und Wächter und das alles gleichzeitig, das ist zu viel für einen allein, ich bin in Sorge um seine Gesundheit. Das müssen Sie nicht, hat mein Begleiter aber gesagt, Anton ist zäh. Ausserdem könnte er sich seinen Ziehvater zu Hilfe holen, wenn er wollte, hat er gesagt, das haben wir ihm schon mehrmals nahegelegt, aber auch davon will er nichts hören. Wollen Sie sich die Waffen ansehen, hat Ezras Cousin oder Halbbruder gefragt, ja gerne, habe ich gesagt und bin ihm auf dem Fuß gefolgt. Tragen das die Pferde bei Ihren Turnieren, habe ich gefragt und auf die Schabracken, die im Hintergrund über langen Gestellen gehangen sind, gezeigt. Sogleich hat der Mann eine besonders farbenprächtige Schabracke vom Regal genommen und vor mir ausgebreitet. Sehen Sie her, hat er gesagt, das ist unser kostbarstes Stück, das wir aber nie für Turniere verwenden. Verstehe, habe ich gesagt und bin mit kundigen Händen über die raue Oberfläche gefahren. Die Waffen lagern wir hier hinten, hat der Mann gesagt und mich durch eine weitere Tür in den Nebenraum gelotst. Er hat mit stolzer Geste auf die sorgsam gelagerten Speere, Äxte und Kettenhemden gewiesen. In einer Ecke ist eine Ritterrüstung zu sehen gewesen, unglaubliche Schätze, nicht wahr, hat der Mann stolz gesagt, ja, in der Tat, habe ich gesagt. Das alles stellt einen kaum bezifferbaren Wert dar, hat er gesagt, Museen würden gerne ihre Bestände vergrößern und uns fürstlich bezahlen, aber wir verkaufen nicht. Natürlich nicht, habe ich gesagt und an Ezra denken müssen. Und wer bewacht diese Schätze, habe ich gefragt, niemand, hat der Mann gesagt, es käme niemand auf die Idee, sich daran zu bedienen. Abgesehen davon könnte ein eventueller Dieb das alles hier nicht zu Geld machen, kein Museum der Welt würde Diebesgut wie dieses kaufen. Verstehe, habe ich gesagt, probeweise einen der Speere aufgehoben, mich über das unerwartete Gewicht verwundert gezeigt und gefragt, ob schon jemand die Rüstung getragen hat. Unseres Wissens nicht, hat der Mann gesagt, sie ist sehr sehr schwer und macht gänzlich unbeweglich. Die Kettenhemden sind tragbarer, hat der Mann gesagt, wenn Sie eines probieren möchten, nur zu. Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen. Mein Begleiter ist mir in allem behilflich gewesen, hat die Scharniere geschlossen und mich dann gefragt, wie ich mich fühle. Sie sind sehr vertrauensselig, hat er gesagt, ohne meine Hilfe würden Sie diesen Raum nicht mehr verlassen können, wissen Sie das? Ich habe mich ein paar Schritte Richtung Tür bewegt und tatsächlich hat mich jede noch so kleine Bewegung enorme Kraft gekostet. Die leise klirrenden Kettenglieder haben im Schein der Lampe geglänzt und ich habe mir gedacht, dass Ezra von diesem Intermezzo nichts erfahren darf. Insgesamt habe ich mich sehr unwohl gefühlt und den Mann gebeten, mich wieder zu befreien. Aber gewiß doch, hat er gesagt und eilfertig an den Scharnieren genestelt, wobei ihm das eine oder andere sichtlich Mühe bereitet hat. Ich habe besonders tief atmen müssen, um nicht in Panik zu geraten.
*
Grand mal, sagt Ezra und betrachtet den zu Boden gestürzten Anton. Unsinn, sage ich, bloß eine kleine Unpässlichkeit. Hat er das öfter, frage ich aber nach einer Weile, weil Antons Krampfen und Winden und Augenverdrehen gar nicht aufhören will. Schon, sagt Ezra und fordert mich auf, ihm ein geeignetes Werkzeug zu bringen. Wir müssen seinen Kiefer lockern, sagt er. Tatsächlich knirscht Anton auf das Grässlichste mit den Zähnen. Es besteht die Gefahr, dass er sich die Zunge abbeisst, sagt Ezra und weist mich an, ihm einen hölzernen Kochlöffel zu bringen. Schnell, Hasenherz, sagt Ezra. Also beeile ich mich, öffne eine Schublade nach der anderen, finde aber nichts, womit man meiner Meinung nach Antons Kiefer lockern könnte. Zu guter Letzt bringe ich Ezra einen normalen Löffel. Ezra schüttelt den Kopf über mich und sagt, dass ich zu nichts zu gebrauchen bin. Ein metallener Löffel, sagt er und versucht, Antons verdrehten Kopf wieder geradezubiegen, ein metallener Löffel ist absolut nicht geeignet, das sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand. Damit breche ich Anton alle Zähne, fügt er hinzu und sein Tonfall ist der vorwurfsvollste. Dann steht er auf und weist mich an, seinen Platz einzunehmen. Halte ihn fest, sagt er und kramt in den Schubladen. Ein hölzerner Löffel will sich nicht finden. Fest, aber nicht zu fest, sagt er, aber ich zögere. Antons Zucken und Umsichschlagen ängstigen mich. Vorsichtig berühre ich seinen Oberarm, dann sein Handgelenk, dann fasse ich seine Finger. Mir fällt die kleine Flöte in meiner Hosentasche ein. Ich trage sie immer bei mir. Kann ich ein wenig Musik machen, frage ich Ezra. Wird nicht viel helfen, sagt er. Lass es mich zumindest probieren, sage ich und krame lange in meiner Hosentasche. Endlich ziehe ich die Flöte hervor und setze sie an meine Lippen. Ihr Ton ist wie immer hervorragend. Sogleich intoniere ich ein paar meiner Lieblingslieder. Das ist gut, sagt Ezra, als ich Antons bevorzugtes Lied anstimme. Maid of Killarney, sagt er und wiegt sich ein wenig im Takt der Musik. Bald können wir beobachten, wie sich Antons verzerrte Gesichtszüge glätten. Alle seine Gliedmaßen erschlaffen und zu guter Letzt liegt er ruhig und wie schlafend da. Ezra und ich atmen erleichtert auf. Gut gemacht, Hasenpfote, sagt er.
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Dissonant, sagt Ezra und hält sich die Ohren zu. Ein Instrument muss auf das Genaueste gestimmt sein, sagt er. Das sieht mein Meister ganz anders. Dir zuzuhören ist die reinste Folter, sagt Ezra. Dass ich auf seine Einwände nichts gebe, versteht sich. Ich übe. Täglich mehrere Stunden lang. Das ist auch notwendig, denn ich möchte in meiner Kunst reüssieren. Da ist tägliches, stundenlanges Üben unabdingbar. Tägliches, stundenlanges Üben, sagt auch mein Meister. Er wiederholt sich gebetsmühlenartig, sooft er mich spielen hört. Selbstredend folge ich seinen Anweisungen in allem und jedem. Dass man mich letzthin ins Herrenhaus eingeladen hat, bedeutet mir nichts. Ich habe die Einladung ausgeschlagen und Ezra damit aufs Äußerste verärgert. Ein Bote hat sie überbracht, worüber wir sehr erschrocken gewesen sind. Eines Morgens ist er vor unserer Hütte erschienen, hat mehrfach an die Tür gepocht und Billie, Ezras Hund, hat hysterisch zu bellen begonnen. Ezra und ich haben uns erschreckt aneinander geklammert, sind mucksmäuschenstill geblieben und haben auf das Pochen nicht reagiert. Als sich die Tür langsam geöffnet hat, ist ein uns gänzlich unbekannter Mann über die Schwelle getreten. Er hat uns glaubhaft versichert, dass von ihm keine Gefahr droht und er nur eine Einladung aussprechen möchte. Die Herrschaft schickt mich, hat er zu mir gewandt gesagt, sie wollen Sie spielen hören. Man erwartet Sie morgen Abend und ich soll Ihnen versichern, dass Sie ein kompetentes Publikum vorfinden werden, das Ihnen alle Türen öffnen kann. Er hat mir ermunternd zugenickt, aber ich bin wie vor den Kopf gestoßen gewesen. Was will man von mir, habe ich Ezra gefragt, man will dich spielen hören, hat er gesagt, du solltest geschmeichelt sein. Was ist denn nun, hat Ezra gesagt, willst du dem Herren nicht antworten und dich für die freundliche Einladung bedanken. Ich habe aber mehrfach schlucken müssen und nichts sagen können. Schließlich hat Ezra das Wort ergriffen und für mich gesprochen. Er hat gesagt, dass ich mich geehrt fühle und mich pünktlich im Herrenhaus einfinden werde. Da bin ich ihm ins Wort gefallen. Nein, habe ich mich sagen hören, nein, keinesfalls, ich möchte lieber nicht. Ezra hat mir einen tadelnden Blick zugeworfen und der Bote hat die Augenbrauen hochgezogen und ist einen Schritt zurückgetreten. Ich möchte lieber nicht, I would prefer not do habe ich wiederholt, mit immer lauterer Stimme und Billie näher zu mir gezogen. Ezra hat versucht, mich umzustimmen, aber ich habe den Kopf gesenkt gehalten und meine Hände in Billies Fell vergraben. Es hat eine Weile gedauert, bis alle begriffen haben, dass mit mir nicht zu reden ist. Dass ich auf grösstes Unverständnis gestoßen bin, versteht sich. Man wird ungehalten sein, hat der Bote gesagt und der vorwurfsvolle Ton in seiner Stimme ist nicht zu überhören gewesen, nicht jedem wird solch eine Chance geboten, Sie verbauen sich alle weiteren Möglichkeiten. Ich habe aber bloß die Achseln gezuckt, mir keine weitere Reaktion entlocken lassen und aus der halb offenstehenden Tür auf die sonnenbeschienene Wiese und den Waldrand geschaut. Und was sage ich der Herrschaft jetzt, hat der Bote gefragt und die Hände gerungen. Er ist von einem Fuß auf den anderen getreten und als er sich endlich zum Gehen gewandt hat, bin ich erleichtert gewesen. Er ist über die taunasse Wiese davongegangen und ich bin ihm mit den Augen gefolgt. Das kniehohe Gras hat sich immer wieder um seine Beine geschlungen, so als ob es ihn zurückhalten wollte. Er hat sich mehrmals losreißen müssen und die hilflosen Bewegungen haben mir ein Lächeln entlockt. Hinzuzufügen wäre vielleicht noch, dass seit diesem Auftritt die Dinge zwischen Ezra und mir im Argen liegen.
Consilium abeundi
Meine Erinnerung an Ezra verblasst zusehends. Ich habe mir ein sehr schönes tannengrünes Notizbuch besorgt und will alles möglichst vollständig aufzeichnen. Kein Laptop, kein Tablet, kein Smartphone, hat meine Freundin letztens gefragt, nein, habe ich gesagt. Leider trügt mich meine Erinnerung des öfteren. So weiss ich, nur ein Beispiel, nicht mehr genau, wie lange ich in der Höhle gefangen gewesen bin. Sicher ist, dass, laut Ezra, Billie mich gefunden hat. Billie ist Ezras Hund. Du bist so gut wie tot gewesen, hat er gesagt, mir einen scheelen Blick zugeworfen und dann den Kopf weggedreht. Das tannengrüne Notizbuch liegt jetzt aufgeschlagen vor mir. Womit beginnen, frage ich mich, weil ich den erlösenden ersten Satz nicht finde. Obwohl mir alles überdeutlich vor Augen steht. Vielleicht mit einer Beschreibung Ezras beginnen, sage ich mir. Seine Erscheinung steht mir doch noch deutlich vor Augen. Hält er sich gänzlich ruhig, erinnert sein Anblick an eine Statue. In der Antikenabteilung des Museums steht eine solche. Ich habe sie wieder und wieder aufgesucht und über die frappante Ähnlichkeit gestaunt. Filigraner, fein ziselierter Kopf, Nase, Jochbögen, Kinnlinie, alles perfekt, habe ich mir immer wieder gedacht, dabei die vollkommenste Blässe, die man sich denken kann. Augenbrauen und Wimpern sind blond und heben sich sich kaum von der weißen Haut ab, Ezra wirkt ein wenig unwirklich, man kann es nicht anders sagen. In grösstem Gegensatz dazu stehen seine rissigen, abgearbeiteten Hände mit den ungepflegten Nägeln. Was willst du, ich arbeite hart, auch mit meinen Händen, hat er einmal gesagt und meinen Blick richtig gedeutet. Ja, das tust du, Ezra, habe ich beschwichtigend gesagt, neben all deinen sonstigen Aufgaben arbeitest du hart, das ist vollkommen richtig. Ich rücke mein schönes, tannengrünes Notizheft ein bisschen besser zurecht und fasse den Entschluss, meine Aufzeichnungen mit einer Beschreibung Ezras zu beginnen. Das wird mich nicht allzu viel Anstrengung kosten. Allerdings muss zuvor alles vorbereitet werden, was einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Die Bleistifte, von denen ich ein ganzes Bündel besitze, müssen jeden Tag neu zugespitzt werden. Manchmal ist es so, dass ich über dem Spitzen der Bleistifte die Zeit vergesse. Dann stehe ich von meinem wackligen Tisch in der Ecke auf, ohne eine einzige Zeile geschrieben zu haben. Das ist schon mehrmals vorgekommen. Dieses Mal werde ich allerdings mehr Disziplin an den Tag legen. Ich will mir nicht umsonst dieses sehr schöne, grüne Notizbuch gekauft haben. Womit aber beginnen, frage ich mich, während ich die Bleistifte spitze. Vielleicht mit einer Frage. Bin ich mit allen Wassern gewaschen, wie Ezra immer wieder behauptet, könnte ich fragen und mir gleich selber die Antwort geben. Dann könnte ich fortfahren und eine erste Anekdote aus Ezras und meinem Leben erzählen, die seine Behauptung untermauert. Der König nimmt den Bischof am Arm Halt du sie dumm ich halt sie arm hat er auf einen Zettel geschrieben gehabt. was ist das Ezra, habe ich gefragt, eine Liedzeile hat er gesagt, was ist das für ein Lied, Ezra, habe ich gefragt, ich weiß nicht, hat er gesagt. Allerdings sollte ich zuvor Ezras Äusseres beschrieben haben.
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Der König nimmt den Bischof am Arm, halt du sie dumm ich halt sie arm ist auf dem Zettel gestanden, den ich zufällig auf Ezras Küchentisch gefunden habe. Gib das her, hat er gesagt und ihn mich nicht lesen lassen wollen. Aber ich bin schneller gewesen. Ich habe mich aus Ezras Reichweite gebracht und laut vorgelesen. Der König nimmt den Bischof am Arm, halt du sie dumm, ich halt sie arm was soll das bedeuten, habe ich gefragt. Das ist eine Liedzeile, aus einem Lied das du nicht kennst, hat Ezra gesagt und nichts weiter darüber sagen wollen. Später am Tag hat er mich gefragt, ob ich weiss, was Hittrach ist. Nie gehört, habe ich gesagt, Hittrach, was soll das sein. Ezra hat gesagt, dass ich aber auch rein gar nichts weiss und zu dozieren begonnen. Hittrach oder Hüttenrauch, gewonnen aus Arsenkies, ein Nebenprodukt im Bergbau, hat er in belehrendem Tonfall gesagt. Das kann ich nicht leiden. Wenn er so redet, verschließe ich meine Ohren zur Gänze. Das Kokain der Bergarbeiter und Bauern, speziell nachgefragt in der Gegend, aus der auch du kommst, habe ich ihn sagen hören. Ich aber habe mich Billie zugewandt und ihn lange gestreichelt. Aber dann hat Ezra eine Melodie gesummt, die mir gut bekannt war. Ist das das Lied, habe ich gefragt und als er genickt hat, habe ich anfangs leise, dann allmählich lauter mitgesungen. Halt du sie dumm, ich halt sie arm, haben wir gesungen und uns innig umarmt.
Gegen Abend haben wir Besuch vom Pfarrer bekommen. Welch Glanz in meiner Hütte, hat Ezra gesagt und für unseren Gast ein Eckchen am Küchentisch freigemacht. Was verschafft uns die Ehre, hat er gefragt, aber der Pfarrer ist nur allmählich auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen gekommen. Lange hat er von der Ruine und der darin liegenden Kapelle geredet, die unbedingt erhalten werden müsste. Dann hat er das Chorgestühl der Kirche ins Spiel gebracht, dass das Leben aller Gläubigen gefährdet, morsch wie es ist. Liegt nun alles in deiner Verantwortung, Anton, hat er schließlich gesagt und wir alle zählen auf dich. Ezra hat aber bloß die Achseln gezuckt und als der Pfarrer gesagt hat, dass das ganze Tal in Aufruhr ist, hat er sich abgewandt und aus dem Fenster geschaut. Dir gehört nun alles hier herum und alle fragen sich, was nun werden soll, hat der Pfarrer gesagt, aber Ezra ist weiter reglos am Fenster gestanden und hat sich keine Äußerung entlocken lassen. Kannst du nicht alles beim Alten belassen, Anton, hat der Pfarrer gefragt, consistere tu insulsa teneo pauperem, hat Ezra geantwortet. Die Ratlosigkeit des Pfarrers ist mit Händen zu greifen gewesen. Was redest du denn da, Anton, hat er gesagt und mir einen hilfesuchenden Blick zugeworfen. Rechnen Sie nicht mit Prinz Eisenherz, hat Ezra aber sogleich gesagt, unverbrüchliche Loyalität, das haben wir uns versprochen, nicht wahr, Hasenpfote? Ja, Ezra, habe ich gesagt. Wie war doch noch der Wahlspruch, den, zugegeben, nicht Sie und mein großartiger Halbbruder, Cousin oder was immer er auch ist, ausgegeben haben? Ich weiss nicht, wovon du redest, hat der Pfarrer gesagt, na, dann übersetzen wir, hat Ezra gesagt. Halt du sie dumm, ich halt sie arm, ist doch korrekt, hat er gefragt, ist nicht so weit her mit Ihrem Latein, oder, Hochwürden? Lass gut sein, Ezra, habe ich gesagt, ihm beruhigend die Hand auf den Arm gelegt und ihn ein wenig beiseite ziehen wollen. Aber da hat sich Ezra schon in Rage geredet gehabt und ist nicht mehr zu stoppen gewesen. Wissen Sie, was Hittrach ist, Hochwürden, hat er gefragt und als der Pfarrer verneint hat, was soll das sein, hat er gesagt, nie gehört davon, hat sich Ezra nur mit Mühe bezähmen können. Hittrach, ein Derivat aus Arsenkies, haben, nur ein Beispiel, die Bergwerkarbeiter genommen, um die schwere Arbeit im Steinbruch und im Bergwerk leisten zu können, hat er gesagt, aber davon haben Sie selbstredend noch nie gehört, versteht sich. Der Pfarrer hat mit mildem Lächeln den Kopf geschüttelt und zu Ezra gesagt, dass er Unsinn redet. Du hast eine blühende Phantasie Anton, hat er gesagt und als Ezra weiter von den armen, zu Tode geschundenen Leuten, die dennoch an jedem Sonntag eifrig zur Kirche gegangen sind, geredet hat, ist er ihm abrupt ins Wort gefallen. Er hat gesagt, dass er sich das nicht länger anhören muss und Ezra aufgefordert, den Mund zu halten. Dann ist er aufgestanden und ohne Gruß und türenschlagend aus der Hütte gerannt. Ezra und ich haben uns ans Fenster gestellt und zugesehen, wie er quer über die Wiese davongelaufen ist, dabei haben sich mehrfach Gräser um seine Beine gewickelt, von denen er sich nur mühsam befreien hat können. So ist er nur langsam vorwärtsgekommen. Mehrmals hat er den Kopf gewandt und zur Hütte zurückgeschaut. Du hast ihn dir zum Feind gemacht, habe ich zu Ezra gesagt, aber Ezra hat bloß die Achseln gezuckt. Das war er doch schon vorher, hat er gesagt, im Verbund mit denen da oben. Dabe i hat er seine charakteristische Handbewegung schräg nach oben in Richtung des Herrenhauses gemacht. Und ich habe mir gedacht, dass er recht hat.
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Das Folgende ist schwierig zu schildern. Dass ich mich auf meinem Rückweg erneut verirrt habe, war noch das geringste Problem. Die Dunkelheit hat nach einiger Zeit überhand genommen und ich habe so gut wie nichts mehr gesehen. Nur manchmal, wenn sich die Wolken verzogen haben, war der vom Mondlicht beschienene Weg wieder deutlich zu sehen. Dann bin ich leidlich vorangekommen und habe vorsichtig einen Fuß vor den anderen gesetzt. Nur jetzt nicht stolpern, eine ernsthafte Verletzung davontragen und die Nacht hier im Freien verbringen müssen, habe ich mir gedacht und meine Vorsicht verdoppelt. Einmal, als sich die Wolken kurzzeitig verzogen haben, ist eine Höhle in mein Blickfeld gekommen, die ich von früheren Spaziergängen wiedererkannt habe. Damals habe ich sie sogleich erkunden wollen, bin aber von Ezra daran gehindert worden. Auch jetzt hat sich der Höhleneingang verlockend gerade über mir weit geöffnet, aber ich habe Ezras Warnungen noch im Ohr gehabt und gezögert. Lass dir nicht einfallen, in einer der Höhlen Schutz zu suchen, falls du dich wieder einmal verirren solltest, hat er mehr als einmal zu mir gesagt. Ich habe ihm versichert, dass ich das keinesfalls tun werde. Allerdings ist jetzt die Situation eine vollkommen andere. Als sich die Wolke wieder verzogen hat und der Höhleneingang so einladend direkt vor mir gelegen ist, habe ich nicht lange überlegen müssen. Hier warten, bis Ezra und Billie mich gefunden haben, habe ich mir gedacht und dass sie mich ohnehin alsbald vermissen werden. Dann kann es nicht mehr allzu lang dauern, bis sie aufbrechen, nach mir suchen und mich finden. Bei Billies Geschick im Schnüffeln und Suchen ist das nur eine Frage der Zeit, habe ich mir gedacht, den Weg verlassen, mich zum Eingang der Höhle hochgehievt und ein trockenes Plätzchen gleich beim Höhleneingang gefunden. Ich habe mich bequemer zurechtgesetzt und über mich selber den Kopf schütteln müssen. In welche Situationen bringst du dich andauernd, habe ich mich gefragt und mir gesagt, dass es das Falscheste war, Ezras Warnungen einfach in den Wind zu schlagen. Weil ich mich den Tag über sehr anstrengen habe müssen, bin ich kurzzeitig eingenickt, aber die Kälte hat mich gleich wieder aufgeweckt. Ezras Erzählungen von den Bergleuten, den Höhleneingängen und den tiefen Stollen sind mir wieder in den Sinn gekommen und ich habe mir gedacht, dass ich ihm besser zuhören hätte müssen. Und vor allem das Buch hätte lesen sollen. Hier, hat er gesagt und ein umfangreiches Buch vor mich hingelegt, falls dich die Geschichte des Bergbaus und vor allem die der Bergleute hier in diesem Landstrich interessiert. Tut es nicht wirklich, Ezra, habe ich wahrheitsgemäß gesagt und mir damit seinen Zorn zugezogen. Allmählich könnten sie mich hier drinnen aufspüren, Ezra und Billie, habe ich mir gedacht und meine ohnehin viel zu dünne Jacke enger um mich gezogen. Aber das hat nicht allzu viel genützt. Ich bin ein wenig tiefer in die Höhle geklettert, wird Billie mich hier drinnen finden können, habe ich mich gefragt. Ich habe mir gesagt, dass es klüger wäre, mich weiter vorne in der Nähe des Höhleneingangs einzurichten, aber hier drinnen ist es ein wenig wärmer gewesen.
Zwei junge Männer, wie sie typisch für die Besucher des Salons der Gertrude Stein sein könnten. Beugen sich über eine Zeitschrift, lachen.
ERSTER MANN Was meinst du? Kränkt sie sich?
ZWEITER MANN Ein wenig. Vielleicht. Aber nicht sehr.
ERSTER MANN Aber da, blättert in der Zeitschrift, liest: Hohlheit. Egozentrische Verzerrungen. Klinischer Fall von Größenwahn. Munterer Klatschtantenton. Nettes Lustspielniveau. Lügnerin.
ZWEITER MANN Oder da, liest: Zwei alte, nach Ruhm und öffentlicher Anerkennung gierende Jungfern.
ERSTER MANN Und ich sage dir, sie kränkt sich nicht.
ZWEITER MANN ahmt Miss Furrs Sprechweise nach: Ich bin ein Genie. Es braucht soviel Zeit ein Genie zu sein. Ich muss herumsitzen und nichts tun.
Einfach nichts tun.
ERSTER MANN ahmt Miss Furrs Sprechweise nach: Einstein war der schöpferische philosophische Geist des Jahrhunderts und ich bin der schöpferische literarische Geist des Jahrhunderts.
ZWEITER MANN Ein Genie.
ERSTER MANN Ein Genie. Beide lachen.
ERSTER MANN Miss Skeene nachahmend: Ach komm, Liebes, gib mir diesen Schund. Nimmt die Zeitschrift, klappt sie zu, wirft sie in eine Ecke.
Wir wollen das alles ganz schnell vergessen. Nur böse, böse Menschen können solche Dinge über meinen armen Liebling schreiben legt seinem Freund den Arm um die Schultern, führt in zu einem Sessel, nötigt ihn sich hinzusetzen, beide schweigen, denken nach
ZWEITER MANN normaler Tonfall: Wie war das noch? Männer gefallen mir vom Hals aufwärts und Frauen vom Hals abwärts. Hat sie das wirklich gesagt?
ERSTER MANN Zu mir nicht. Aber möglich. Durchaus möglich. Wer hat gesagt, das sie das gesagt hat?
ZWEITER MANN zuckt die Achseln. Irgendwer. Ist mir zu Ohren gekommen. Frauen vom Hals abwärts, Männer vom Hals aufwärts. Soll sie gesagt haben.
ERSTER MANN Und wenn schon. Was heisst das schon.
ZWEITER MANN gedehnt: Na ja.
ERSTER MANN sieht ihn mit hochgezogenen Brauen an. Das gibts. Du magst vielleicht schockiert sein, mein Lieber, aber das gibts tatsächlich. Nicht alle Frauen wollen einen Mann im Bett. Manche wollen eine Frau im Bett. Dreht den Kopf, schaut ins Publikum. Ziehen ihresgleichen vor. Dunkel.